Der junge Mann am Flügel ist schlank und rank, sein Pianospiel gleicht aber eher dem des 1,92 Meter-Hünen Sergei Rachmaninow: kraftvoll und mit schwungvoller Dynamik ausgestattet, füllt Hyuk Lee den Saal der Alfred Schnittke Akademie mit seinen Klängen; geradezu so, als ob ein ganzes Orchester musizieren würde und nicht eine einzige Person. Zugegeben, so viel Power ist für Werke von Frédéric Chopin zunächst mal ungewöhnlich. Doch schon bald spürt der Besucher, dass dabei nichts an filigranen Details des polnischen Komponisten verloren geht. Es ist eben sozusagen nur Chopin auf einem anderen als dem gewohnten Lautstärke-Pegel. Den 22-Jährigen sollte man trotz seines jungen Alters – er ist erst in diesem Jahrhundert geboren – definitiv im Auge behalten als Chopin-Experten. Denn was Lee gelingt, ist gerade bei Chopin keine so einfache Sache: immer den Überblick über die Gesamtkompositon behalten und die unterschiedlichen Passagen als ein homogenes Gesamtwerk präsentieren. Dies ist sowohl bei den „Variations Nr. 2 über das Thema „La ci darem la mano“ (Mozart) als auch in der „Klaviersonate Nr. 2 b-Moll“, die den berühmten Trauermarsch beinhaltet, der Fall.
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